Kompliziert oder komplex?

Oh, das ist mir jetzt zu kompliziert… 😉

Nein, eigentlich überhaupt nicht. Eigentlich ist es wirklich, wirklich einfach.

Kompliziert sind Dinge wie Uhrwerke, Autos, Flugzeuge und elektronische Schaltungen. Also alles irgendwie technisch-rationale. Verschiedene Dinge werden zusammengesteckt, ausgelöst oder eingeschaltet und verursachen dann eine gewisse Wirkung. Aha – Ursache -> Wirkung!

Komplizierte Gebilde sind zwar irgendwie auch komplex im Sinne von – zunächst einmal – schwer überschaubar oder verstehbar, aber wenn Mensch sich die Mühe macht, geht es dann doch ganz gut. Ein Lichtschalter schaltet das Licht an, und auch wieder aus. Und zwar immer, und immer auch das selbe Licht (Defekte sind natürlich davon ausgenommen, die aber meist gut analysiert und behoben werden können).

Pilot*innen von Flugzeugen – als Sinnbild für durchaus sehr komplexe technische Gebilde – werden jahrelang auf ihre Flugzeugtypen trainiert, sie verstehen, was dort wie womit zusammenhängt und was in welchen Situationen getan werden muss.

Also folgt auch: komplizierte Dinge sind vorhersehbar und verhalten sich im Sinne einer kausalen Ursache-Wirkungsbeziehung immer gleich. Diese Sachen sind entsprechend gut handhabbar und steuerbar (manageable).

So, jetzt wird es komplex. Hier ist nun nichts mehr steuerbar, zumindest nicht per Lichtschalter oder Ansage von oben. Mensch kann es zwar versuchen, wird aber vermutlich häufiger von den erzielbaren und erzielten Ergebnissen überrascht werden.

Komplexität basiert auf Lebendigkeit, Interaktion und Rückkopplung, Unvorhersehbarkeit und – Achtung: Soziologie! – kontingentem Verhalten, sogar einer doppelten Kontingenz, die letztlich zu Emergenz führen. Also vielem, was Menschen so tagtäglich halt so machen. Alles kann genau so sein, aber auch ganz anders! Ein früherer Impuls löst morgen etwas Neues aus, da eben dieser Impuls in die Wirkungsgefüge (= Systeme) rückkoppelt. Insofern ist auch eine „Geschichte“ eingebaut und derartige komplexe Systeme werden (potentiell) lernfähig.

Komplexe Gebilde sind kaum zuverlässig vorhersehbar, oder produzieren – falls man meint, doch einen Zusammenhang erkannt zu haben – möglicherweise unter anderen Rahmenbedingungen (also morgen oder übermorgen!) doch plötzlich wieder ganz andere Ergebnisse.

Es erscheint daher wenig sinnvoll, komplexe Systeme (und alle sozialen Systeme sind komplex!) in althergebrachter Weise steuern und direkt beeinflussen zu wollen. Leider hält sich diese Steuerungsillusion durchaus hartnäckig, das scheint dem allzu menschlichen Vereinfachungsbedürfnis geschuldet zu sein, insbesondere in westlichen Gesellschaften.

Ein prima Modell zur Einordnung und Beschreibung von Situationen und Problemen ist übrigens das Cynefin-Framework. Und der große Heinz von Förster hat das Konzept einer nicht-trivialen Maschine vorgeschlagen, um zwischen komplizierten und komplexen Gebilden zu unterschieden.

Also, im Prinzip doch ganz einfach, oder?